Text: Heinz Birkenheuer u. Lothar Kirchmeyer
Grafik u. Fotos: Heinz Birkenheuer

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8.1 Canabae Legionis ( Lagervorstadt )

Allgemein:

Eine Ansiedlung außerhalb eines militärischen Bereichs wurden im Fall eines kleineren Ortes vicus genannt und die Einwohner vicini . Die Ansiedlung im Bereich einer Militäranlagen hieß canabae und die Einwohner canabenensis . Als Canabae wurden im röm. Sprachgebrauch Verkaufbuden von Krämern und Weinhändlern bezeichnet. In augustescher Zeit wurde der Begriff, für Ansiedlungen bei militärischen Lagern in Germanien verwendet. Eine canabae legionis war das Bindeglied zwischen der zivilen Bevölkerung und den Legionären in wirtschaflicher und kultureller Hinsicht. Eine solche Ansiedlung befand sich auf militärischem Gebiet und unterlag der Militärverwaltung, hatte aber auch oft eine Zivilverwaltung mit Magistrat und Beamten.
Lagervorstädte konzentrierten sich hauptsächlich an den Ausfallstraßen der Lager. Eine feste Vorgabe für solche Ansiedlungen gab es nicht. Lediglich die Breite der Straße und der Abstand zu den röm. Lagern mußte eingehalten werden.

Streifenhäuser und eine Therme zu beiden Seiten der Durchgangsstraße

Rekonstruktion einer canabae legionis
einer Lagervorstadt wie sie in der Garnison Novaesium
bestanden haben könnte

Modell: H. Birkenheuer und L.Kirchmeyer

Foto: H.Birkenheuer

Angesiedelt haben sich auf Grund der Zahlungsfähigkeit des röm. Militärs, sowohl römische Bürger als auch Einheimische, sowie Veteranen , die nach einer 20-jährige Dienstzeit weitere 5 Jahre dem Militärdienst zur Verfügung stehen mußten. Aus wirtschaftlichen Erwägungen wollten möglichst viele an den Ausfallstraßen bauen, so dass nur eine begrenzte Breite der Grundstücke für den Einzelnen zur Verfügung stand. Die darauf errichteten Streifenhäuser mit 20 bis 60 m Längewurdeb hauptsächlich in Fachwerkbauweise errichtet. An den Frontseiten zur Straße gab es Handwerksbetrieb, Lokale und sonstige Geschäfte. An der Straßenseite rechts und Links hat man nach römischen Vorbild Kolonnaden errichte.An den Straßenseiten vor den Kolonaden gab es Schüttvorrichtungen zu Kellern die bis unter die bis unter die vorderen Räume der Streifenhäuser reichten. Die Gewerbe-, Geschäfts- und Wohnräume lagen im vorderen Bereich der Häuser während sich im hinteren Bereich die Lagerräume und Ställe befanden.
Größere Lagersiedlungen wurden nach einem geometrischen Plan angelegt und verfügten neben den Geschäfts- und Wohnhäusern über eine Vielzahl von unterschiedlichen Gebäuden wie Thermen, Tempel, Theater und Kulteinrichtungen. An den Ausfallstraßen der Ansiedlungen begruben die Bewohner in einer Nekropole ihre Verstorbenen.

Die vermutliche Ausdehnung der Lagervorstadt

(Das röm. Neuss S. 38 v. Christoph B. Rüger)

Die Canabae in der Garnison Novaesium

Die bisher entdeckten Fundamentreste einer Lagervorstadt Canabae Legionis sind in der Garnison Novaesium spärlich. Auf dem Gelände vor dem Lager wurden nur einzelne Fundamente von größeren Gebäuden entdeckt, die durch ihre verstreuten Fundstellen nicht ausreichen, um eine vollständig intakte Canabae nachzuvollziehen. Die Funde deuten aber darauf hin, dass an drei Seiten des Lagers zusammenhängende Ansiedlungen bestanden haben, die sich von der Erftmündung bis zum heutigen Autobahnzubringer erstreckten.
Die gefundenen Reste von größeren Gebäuden wie z. B. Speicherbauten horae , Werkstätten und Metallschmelzen fabricae , Brennöfen für keramische Gefäße, sowie eine Therme mit größeren Kaltwasserbecken lassen auf eine geschlossene Ansiedlungen schließen.
Zwischen der südlichen Toranlage des Lagers, der porta decumana , und den im Hinterland entdeckten Grabstätten aus der Römerzeit, muß eine aus dem Lager führende Straße bestanden haben. Die Fläche zwischen den beiden archäologischen Befunden wurde für eine Rekonstruktion eines Teilbereichs der Canabae Legionis ausgewählt.
Unter Berücksichtung eines Sicherheitsabstands von 150 röm. Fuß (45 Meter) zur Lagerumwehrung verbleibt eine Areal von 250 m Länge. Für die gab es keine Ausgrabungsfunde. Die Straßenbreite von 30 röm. Fuß (9 Meter) der canabae orientierte sich an der aus dem Lager führenden via decumana Die Kolonnaden neben der Straße hatten eine Breite von 10 röm. Fuß (3 Meter) und dienten dem ungehinderten Fußgängerverkehr.
An der Gesamtlänge der Durchgangsstraße war Platz für ca. 30 Gebäude rechts und links der Straße.
Da sich die canabae auf militärischem Einzugsgebiet befand, gab es keine Veranlassung für eine aufwendige Umwehrung, lediglich einfache Flechtzäune grenzten die Grundstücke ein. Auf dem Sicherheitsbereich zwischen Lager und Ansiedlung gab es nur leichte Verschläge und einzelne Einfriedungen für die Viehwirtschaft.


Erkenntnisse zu einer Canabae

Charakteristisch in den Lagervorstädten ist die Anordnung von Streifenhäuser vor militärischen Anlagen. Die begrenzten Flächen in Lagernähe zwangen zu, zu einer rationellen Bauweise auf dem zu Verfügung stehendem Platz an der Durchgangsstraße. Meist standen die Häuser als Gruppe dicht beieinander und hatten eine Breite von 4,5 - 9 Meter und eine Länge bis zu 60 Meter. Die Giebel der Häuser waren immer zur Straße ausgerichtet.


Die Lage der canabae legionis zwischen der porta decumana und den südlichen Gräberfeldern

Grafik: Heinz Birkenheuer

Die Bauweise der Streifenhäuser waren nicht römisch sondern gallischen Ursprungs. Sie unterlagen keiner einheitlichen Bauvorgabe. In Ausnahmefällen gab es in Teilbereichen aufgestockte Bauweisen, die aus statischen Gründen recht selten vorkamen.
Aus Platzgründen hatten die meisten Gebäude an ihren Längsseiten gemeinsame Stützwände und somit seitlich keine Fensteröffnungen. Dieser Nachteil wurde durch unterschiedliche Längen der Häuser ausgegliechen oder mittels Lichthöfen, die sich im Zentrum der Gebäude befanden. Nur freistehende Häuser verfügten über beiderseitige Fensteröffnungen. Wegen der vorgesetzten Kolonnaden waren alle Häuser vom Straßenrand zurück versetzt.
Die Bauausführungen der Streifenhäuser waren unterschiedlich. Aufwendige und freistehende Gebäude wurden in Stein errichtet und besaßsen ziegelgedeckte Dächer. Die meisten Streifenhäuser wurden in Fachwerk gebaut. Um die eindringende Feuchtigkeitsfäulniss aus dem Boden zuverhindern standen die Fachwerkrahmen auf lose im Boden liegenden Steinreihen. Die Dächer waren bestenfalls im vorderen Bereich, wo sich Geschäfts- und Wohnräume befanden, mit gebrannten Ziegel eingedeckt, während im hinteren Bereich wo Werkstätten und Lagerräume lagen, die Abdeckung aus Stroh oder Ried bestand.
Gemeinschaftseinrichtungen

Badeeinrichtungen

Die Ausgrabungen im Bereich der Canabae von Novaesium deuten darauf hin, dass es in den einzelnen Siedlungsbereichen öffendliche Bäder gegeben hat. Die Größe und Ausführung orientierten sich an der Anzahl der Benutzer. Badeeinrichtungen nach römischen Vorbild bestanden aus drei unterschiedlichen temperierte Räumen, wobei mindestens ein Raum eine Fußbodenheizung hatte. Die Anlagen wurden versorgt von tieferliegenden Heizkammern die vielfach außerhalb an die Gebäude angrenzten. Das erforderliche Wassser konnte von einem Hochbehälter über geschlossene Rohrleitngen von dem jeweiligen Verbraucher entnommen werden. Je nach Größe der Anlagen gab es noch einen vierten nicht temperierten An- und Auskleideraum mit Sitzgelegenheiten und Ablagefächer für Kleidung und Schuhwerk. Ein Therme bzw. ein römische Badeeinrichtung war durch die charakteristische Bauweise der beheizten Räume leicht zu erkennen.